Meine Augen freuen sich über die Freiheit. Ich radle durch Holland und schütze meine Augen vor dem starken Wind und hoch fliegenden Hummeln nur mit einer transparenten Radfahrerbrille. Neugierig schaue ich mir die Gegend an. Was für eine Erfahrung! 21 Tage ohne meine optische Brille. Das habe ich noch nie gemacht und konnte es mir vor ein paar Jahren auch noch nicht vorstellen. Da war eher immer eine Angst, wenn eine Katastrophe passiert und ich meine Brille verliere, wie hilflos ich ohne sie bin. Ich hatte immerhin -9,5 Dioptrien! Diese Angst ist komplett weg.

21 Tage bin ich durch Holland geradelt, durch Dünen, auf Deichen, durch Städte und Dörfer. Meine 2 Brillen waren zwar tief unten in der Fahrradtasche, doch benutzt habe ich sie nicht. Das erste Mal, dass ich überhaupt kein Verlangen nach ihnen hatte.

Eine kleine Auswahl meiner vielen neuen Erfahrungen:

  • meine Augen bewegen sich wesentlich mehr ohne optische Brille
  • meine Rasterbrille hilft wenn ich doch ganz scharf sehen möchte
  • Meine Augen haben sich insgesamt viel mehr entspannt und fühlen sich anders an
  • wenn ich merke dass ich schlechter sehe, entspanne ich meine Augen und es verändert sich wieder
  • ich fühle mich nicht mehr ausgeliefert

Die Erfahrungen der letzten beiden Sommerurlaube (-> Erfahrungsbericht 2022 und Erfahrungsbericht 2023 ) haben sich in diesem Jahr noch vertieft und es ging so viel mehr. Auch ich bin noch auf dem Weg. Rückblickend bin ich schon ein großes Stück des Weges gegangen. Brillenfrei zu sein rückt gerade für mich in greifbare Nähe. Auch fühlen sich meine Augen jetzt nach dem Urlaub offener und runder an.

Augentraining und Sehtraining begleitet mich schon 8 Jahre

Dieser Artikel ist für fortgeschrittene Sehschüler. Falls Du von Augen- und Sehtraining noch nichts gehört hast, lies in der Augenschule weiter: https://augenschule-gelman.de/blog

Augen- und Sehtraining hilft Dir mit bestimmten Übungen Deine Augen kennenzulernen, zu entspannen und selbst etwas für Deinen Sehsinn zu tun. Es geht darum, die Augen und den Sehsinn nicht zu überlasten und bestmöglich zu entspannen. Dann siehst Du auch wieder besser.

Achtung: Wichtig zu wissen!

Disclaimer: Es ist Deine eigene Verantwortung, wenn Du ohne Sehhilfe am Straßenverkehr teilnimmst. Du solltest wissen, was Du tust und Deine Möglichkeiten gut einschätzen können. Dieser Artikel ist für fortgeschrittene Sehschüler. Du solltest schon mal einen klaren Moment gehabt haben. Tipps, wie Du starten kannst, findest Du auch am Ende des Artikels.

Verschiedene Phasen erlebt

Die ersten Tage merke ich, wie meine Augen sich deutlich mehr bewegen als wenn ich den ganzen Tag am Computer sitze. Mit nackten Augen spüre ich sehr deutlich meine Gefühle. Wie fühle ich mich bei leicht unscharfem Sehen? Es gibt auch Tage, an denen ich frustriert bin. Seltsamerweise hatte ich in diesem Jahr nie das Bedürfnis, meine optische Brille rauszuholen. Sie war tief unten in meiner Packtasche. In der Lenkertasche hatte ich nur die Rasterbrille. Immer wenn ich etwas scharf sehen wollte, z.B. im Museum, in Städten oder im Supermarkt, habe ich sie benutzt. Gegen Ende der Radtour habe ich sie immer weniger verwendet. Die klaren Momente kommen öfter und dauern länger.

Rasterbrille statt optischer Brille

Eine Rasterbrille oder Lochbrille benutze ich nur, während ich als Fußgängerin unterwegs bin. Mein Modell blendet das periphere Sehen aus. Auf keinen Fall kannst Du damit Radfahren. Mit der Rasterbrille muss ich den Kopf mitbewegen, um etwas scharf mit der Makula zu sehen. Das hat mich am Anfang der Tour regelrecht genervt. Ganz klar habe ich gespürt, dass ohne Veränderung kein klareres Sehen möglich ist. Diese Gehirnmuster sind tief verankert und es braucht regelmäßiges Wiederholen eines neuen Ablaufs, um sie zu verändern.

Sylvia mit Rasterbrille im alten Hafen der Stadt Hoorn
Im alten Hafen von Hoorn in Nord-Holland

Meine Augen lieben es

Viel weniger Bildschirmzeit hat mir und meinen Augen sehr gut getan. Am Bildschirm sind wir nicht im Hier und Jetzt. Er beamt uns weg, keine Möglichkeit, sich selbst zu spüren und Verbindung mit der Umgebung aufzunehmen. Wie sehr wir in den letzten Jahren die Gewohnheit bei Langeweile/ Leerlauf/ Warten sofort auf das Handy zu schauen, integriert haben. In der friedvollen Umgebung am Strand mit dem Blick aufs Wasser, dem Gefühl des Winds auf unserer Haut, befinden wir uns plötzlich im Jetzt.

Das Thema mit der Zeit

Wohin geht die ganze Zeit? Alles lässt sich viel schneller erledigen als früher – meinen wir. Wenn Du das Gefühl hast, keine Zeit zu haben, tracke wie viel Zeit Du täglich am Handy verbringst. Da kommen meist erschreckende Zahlen heraus: 2, 3, 4 Stunden pro Tag? Was könntest Du damit alles Schönes tun und erleben? Wichtig: überprüfe für was Du das Smartphone/Tablet nutzt: Informationen oder Kreatives? Ich verwende das Handy z.B. auch um diese Texte zu notieren und Ideen festzuhalten.

Während des Urlaubs habe ich keinerlei Augen- oder Sehübungen gemacht

Urlaub ist zur Entspannung, raus aus Routinen da. Augen- und Sehübungen sind für mich jedenfalls im Urlaub nicht umsetzbar. Auf dieser Tour habe ich mich meistens mit der Unschärfe wohl gefühlt. Ich will nicht sehen, was in der Ferne liegt. Details in der Nähe interessieren mich viel mehr. Ohne Brille bekomme ich immer wieder die Erinnerung, die Augenmuskeln zu entspannen, statt die Augen zu kneifen oder auch zu verengen.

Urlaub ohne Sonnenbrille

Bei starker Lichteinstrahlung verwende ich statt einer Sonnenbrille meine Hand oder eine Schirmmütze. Die verschattet das Gesicht und filtert nicht das Farbspektrum des guten Sonnenlichts. Ich hatte überhaupt kein Bedürfnis. Das Gefühl, dass etwas blendet oder mir viel zu hell ist, kenne ich sehr gut. Früher habe ich regelmäßig eine Sonnenbrille benutzt. Heute brauche ich keine mehr.

Die Sonnenbrille kannst Du Dir am besten im Frühjahr abgewöhnen. Fang bei den ersten Sonnenstrahlen im Januar an, keine Sonnenbrille zu verwenden.

Augenmuskelkater oder Augen in Freiheit

Am Anfang haben meine Augenmuskeln sich deutlich mehr bewegen müssen als bei der Bildschirmarbeit. Das fühlte sich wie ein kleiner Muskelkater an. Die Augen haben sich über die Freiheit gefreut, je mehr ich entspannt bin, desto mehr sehe ich. Auch je ausgeschlafener ich bin. Ich liebe einen Mittagsschlaf und habe auf dieser Radtour immer nach dem Mittagessen einen kurzen Nap gemacht. Gegen Abend, als ich müde wurde, habe ich weniger gesehen. Je mehr ich im Jetzt bin, desto mehr sehe ich. Jetzt nach 21 Tagen sind die Muskeln im Auge für meine Normalität maximal entspannt. Im linken Auge bemerke ich eine Grund-Anspannung. Das war auch mein amblyopes Auge.

Brillenabhängigkeit

Zu den Zeiten, zu denen es nicht unbedingt notwendig ist, alles scharf zu sehen, ist es in jedem Falle ratsam, die Brille abzusetzen. Die Augen sind dann auf ihre eigenen Fähigkeiten angewiesen: so spärlich diese auch sein mögen, sie werden durch brillenlose Phasen belebt.

George Pennington, Vom Schielen und Schauen

Kennst Du das Gefühl, dass Du Dich ohne Deine Brille nackt fühlst oder irgendetwas fehlt? Du fühlst dich unsicher? Das nenne ich Brillenabhängigkeit. Erst wenn Du Deine Brille nicht vermisst, bist Du fast am Ende Deiner Reise angekommen. In diesem Jahr habe ich meine Brille nicht mehr vermisst. Es war deutlich anders als bei den Radtouren in 2022 und 2023.

Radfahrbrille ja oder nein?

Im letzten Jahr hatte ich eine Radfahrbrille ausprobiert. Sie war geliehen und passt mir nicht optimal. Diesmal habe ich mir im Vorfeld eine Radfahrbrille besorgt. Ohne Filter und Verdunklung. Ganz schlicht. Sie sollte nur einen Zweck erfüllen. Prompt ist gleich am ersten Tag ein dicker Brummer gegen die Scheibe geflogen. Ich persönlich fahre jetzt lieber mit Radfahrbrille.

Ist es verantwortungslos, ohne Brille zu radeln?

Ganz ehrlich habe ich früher, bevor ich mich um meine Augen gekümmert habe, nach der Arbeit so schlecht gesehen, dass ich eigentlich mit der damaligen Brille nicht mehr Auto fahren hätte können. Heute habe ich für diese Fälle im Handschuhfach eine stärkere Brille liegen.

Das Wichtigste ist, selbst Verantwortung zu übernehmen!

Was Du tust, liegt in Deiner Verantwortung! Ich schreibe hier nur aus meiner Erfahrung. Ich bin eine sehr sichere Radfahrerin und radreise schon mein Leben lang. Ich kann gut einschätzen, wann ich welche Sehhilfe zur Unterstützung brauchen würde. Durch die klaren Momente, die ich ständig habe, gibt es da bei mir kein Thema.

Übrigens, auch normalsichtige Menschen sehen nicht immer super scharf. Sie kennen es auch, dass ihre Sicht mal etwas unschärfer ist. In der Peripherie siehst Du sowieso nicht scharf.

Es gab nur eine kritische Situation

Langsam wurde es Nacht und wir waren in einer Stadt unterwegs. Der Campingplatz lag etwas außerhalb auf einem Bauernhof. Ich hatte keine Brille dabei, früher wäre ich in Panik ausgebrochen, das war das, was ich als Kind immer befürchtet hatte: Es bricht ein Krieg oder eine Katastrophe aus und meine Brille zerbricht und ich bin komplett hilflos. Es war für mich eine Herausforderung an diesem Abend, weil ich wirklich wenig gesehen habe, aber ich habe nicht Nichts gesehen. Es waren Feldwege, denen wir entlang fuhren und uns begegnete absolut niemand. Außerdem waren wir zu zweit und mein Partner konnte mir sagen, wo es eine kritische Stelle gab. Was es gar nicht gab. Den Weg war ich auf dem Hinweg schon bei Tageslicht gefahren. Der Weg ging allerdings auch durch einen Waldweg und nicht auf Straßen mit anderen Verkehrsteilnehmern entlang.

Das erste Mal nach 21 Tagen wieder mit optischer Brille

Am 21. Tag gab es eine Situation, wo ich dann doch meine Brille aus der Packtasche geholt habe und die Brille aufgesetzt habe. Der Urlaub war ja vorbei. Zuerst hatte ich nicht viel Veränderung gespürt. Übrigens auch kein Wow-Effekt. Am nächsten Tag war da wieder die Verkrampfung, das ständige Zusammenziehen, statt die Augen locker offen zu halten. Auch das spontane Zukneifen des linken Auges fing wieder an. Mein Resultat: So oft es geht auf die Brille verzichten. Sie stresst. Ich sehe kurzzeitig besser, dann sehe ich mit Brille schlechter. Die Entspannung ganz ohne Brille fällt weg. ich fühle mich ja mit der Unschärfe nicht unwohl.

Was mache ich mit optischer Brille anders?

Sofort fange ich an zu starren. Ohne Brille ist das Bild unscharf und ich weiß was ich tun kann, damit es schärfer wird: Entspannen und mehr Bewegung der Augen. Ginge das nicht auch mit Brille? Ich habe bei mir das Gefühl, die Brille zwingt mich zu dem engen Blick. Es könnte auch sein, dass es nur meine Gewohnheit ist. Prinzipiell glaube ich das aber nicht.

Mein erster Arbeitstag

Der Tag am Bildschirm hat mich und meine Augen sehr angestrengt. Vor allem die Nahbrille hat irgendetwas verändert. Am Abend waren meine Augenmuskeln sehr angestrengt und verspannt. Ich kann meine äußeren Augenmuskeln sehr deutlich spüren, das linke Auge ist verspannter als das rechte. Im modernen Büroalltag bewegen wir die Augen viel zu wenig, zu wenig in den Distanzwechseln und zu wenig in die verschiedenen Richtungen. Auf den Bildschirm schauen wir fast nur geradeaus.

Eine Chance mein schielendes Auge besser kennenzulernen

Schielen tritt bei mir auf, wenn das linke Auge sehr verspannt ist. In meiner Wahrnehmung zieht sich der Augapfel regelrecht zusammen und füllt nicht mehr die ganze Augenhöhle aus. Diese Erfahrung während der Radtour hilft mir jetzt im Bildschirm-Alltag sofort zu spüren, wenn es wieder passiert. Ich setze die Brille ab, gehe wieder in das Gefühl bei der Radtour. Schaue in die Weite oder den Himmel und fange an, mein linkes Auge zu weiten. Das wäre ohne diese 21 Tage ohne Brille unmöglich.

Wie kannst Du starten?

Nimm die Sehhilfe in einer Dir bekannten Umgebung in der Natur ab. Dann gehe in einem Wald oder Wiesenstück ein wenig spazieren. Atme und versuche dich zu entspannen. Ohne Brille kommst du raus aus der Hilflosigkeit des leidenden Opfers in die Rolle eines interessierten Beobachters.

Setze Deine optische Brille immer wieder ab

Das Sehen ohne Brille ist anders als mit einem brechenden Glas vor den Augen. Ohne Brille auf der Nase hast Du die Chance herauszufinden, was Du tun kannst, damit Du ein klein wenig schärfer siehst.

Ein paar Tipps:

  • Atme tief mit der Bauchatmung
  • versuche die Anspannung um Deine Augen herum loszulassen. Besonders bei Kurzsichtigkeit kneife Deine Augen nicht zusammen, mache genau das Gegenteil: Öffne Deine Augen weit.
  • Sei neugierig für Deine Umgebung, sei ganz bewusst in diesem Moment.

Übrigens, Du machst nichts kaputt, wenn Du Deine Brille mehr absetzt. Du darfst den Krückstock immer wieder in die Ecke stellen und experimentieren, was Du so alles ohne kannst.

Fazit

Ich selbst bin so glücklich über diese Erfahrung in diesem Jahr und hoffe ich kann Dich inspirieren mit Deinem Sehen zu experimentieren.

Welche Erfahrungen hast Du schon ohne optische Brille gemacht? Lass mir gerne einen Kommentar da!

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